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Geschichte der Tibetischen Medizin


Die Ursprünge der Tibetischen Medizin gehen über zwei Jahrtausende zurück. Durch der Einführung des Ayurveda in Tibet, der sich mit der damaligen schamanischen Heilkunde (Bön-Tradition) verband, und der Übernahme der Pulsdiagnose, der Zungenuntersuchung und der Akupunktur aus der chinesischen Medizin entstand nach und nach eine gantheitliche Lehre, welche wir heute als"Tibetische Medizin" bezeichnen. Ausserdem lassen sich Einflüsse der persischen Heilkunde nachweisen, die das griechische Medizinsystem in sich aufgenommen hatte. Die Tibeter/innen nahmen das Beste von diesen Lehren und verbanden es mit der ayurvedischen, buddhistischen und tantrischen Medizin aus Indien. Als eine der wichtigsten Eigenentwicklungen brachten sie die Urinanalyse ein, und Tibet hatte schon in vorbuddhistischer Zeit den Ruf, das Land der Heilkräuter zu sein. 

Erste schriftliche Zeugnisse einer eigenständigen Medizin lassen sich in das 7. Jahrhundert nach Christus datieren. Gemäss Überlieferung wurde unter der Herrschaft des damaligen tibetischen Königs Trisong Detsen und seiner Frau eine große Medizinkonferenz einberufen. Gelehrte aus der lokalen tibetischen und aus den drei großen Nachbartraditionen (China, Indien und Persien) wurden an den Hof gerufen. Das an dieser Medizinkonferenz gesammelte Wissen wurde im Grundlagenwerk "rgyud bzhi" (Gyüshi, auch die 4 Medizintantren genannt) niedergeschrieben. 

Die eigentliche Blütezeit der Tibetischen Medizin liegt im 17. Jahrhundert. Der Ruf tibetischer Ärzte war legendär und ging weit über Tibet hinaus. Sogar der Zar im entfernten St. Petersburg hörte von den außerordentlichen Fähigkeiten tibetischer Heilweisen. So ist es nicht erstaunlich, dass er beim Ausbruch einer gefährlichen Typhus-Epidemie um das Jahr 1860 nach tibetischen Ärzten rufen liess. Der Burjate Sultim Badma folgte der Einladung des Zaren und eröffnete in St. Petersburg die erste tibetische Praxis mit integrierter Apotheke in Europa. Die Tibetische Medizin fand ihren Weg in den Westen. In Asien ist die Tibetische Medizin heute nicht nur in Tibet – von China ‚Tibetische Autonome Region’ (T.A.R.) genannt – verbreitet, sondern umfasst auch große Teile des zentralasiatischen Raums.